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Eine Familie für Herrn K.

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Julia Sysmäläinen hat auf Basis der handschriftlichen Manuskripte von Franz Kafka eine Schrift gestaltet – und einiges mehr. Am Freitag, den 21. September 2012 eröffnet sie dazu ihre Ausstellung bei Mota Italic Berlin (ab 18:00 Uhr). Herzlich willkommen!

Welcome to the Opening Party of the exhibition “Mister K & Franz Kafka” at Mota Italic Berlin on Friday, 21th September (starting at 6 pm). Mister K is a type family inspired by Franz Kafka’s handwriting, designed by our colleague Julia (and, amongst several awards, she received a TDC Award for it).

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FF Mister K ist eine von Franz Kafkas Handschrift inspirierte Schriftfamilie. Seine ausdrucksstarken Notizbücher waren Julias Inspirationsquelle; ihre Ausstellung bei Mota Italic umfasst Typo-Installationen, Objekte, Drucke, Plakate, Textilien und Bücher. Sie betont eher die ironisch-absurde als die düster-pessimistische Seite des Schriftstellers und erkundet in der Persönlichkeit Mister K „immer neue materielle und energetische Zustände“. Der Name Mister K bezieht sich auf die Hauptfiguren aus Kafkas Werken „Das Schloss“ und „Der Prozess“: „K.“ und „Josef K“.

Der typografische Herr K gelang schnell zu viel Ruhm und Ehre: Für Mister K Cyrillic erhielt Julia Sysmäläinen den Modern Cyrillic Award (August 2009), für Mister K Regular den ISTD Premier Award (November 2009), für Mister K Informal zuletzt den TDC (Type Directors Club) Award „Certificate of Excellence in Typeface Design“ (Januar 2012). Mister K wurde bei der PAGE „Schrift des Monats März 2010“, beim FontShop gelistet unter „FontShop’s Best Typefaces of 2011“ und bei Fontstars bereits unter „Die besten Schriften des Jahres 2008“ gewählt.

Wie gelingt eine solche Wirkung? Was ist das Geheimnis von Mister K?

Unheimlich viele Schreibarten

Franz Kafka (1883–1924) änderte seine Handschrift häufig, er hatte laut Julia Sysmäläinen „unheimlich viele Schreibarten“. Bei ihren Recherchen fand sie neben einer Überzahl an „sehr schnellen, zittrigen, nervösen“ Schriftbeispielen auch solche, die „ausgeglichen“ wirken. Sie fand heraus, dass Kafka seine Texte auch immer wieder abschrieb, und dass diese Manuskripte dann besser lesbar und viel ruhiger daherkamen. Kafka hat letztlich „fast alles per Hand geschrieben.“ Für ihn war der Prozess des Schreibens fast wichtiger als das Publizieren: „Für ihn war wichtig, wie er schreibt. Es war eine Möglichkeit, sich selbst zu finden.“

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Aufgrund dieser Fülle an Kafka’schen Handschriftvarianten wird es wohl immer wieder neue Schnitte der Mister K geben; aktuell hat Julia eine in Arbeit, die „etwas kräftiger, dicker“ ausfallen wird, daher „besonders geeignet für Headlines“. Bei Fontfont bereits veröffentlicht sind:

–  Die Ursprungsschrift FF Mister K Pro Regular. Sie ist „vielleicht am nähesten an Kafkas Manuskript zu ,Der Prozess‘“. Es ging darum, „Formen auszuwählen, die Kafka-typisch sind, eigenständig und dabei aber auch relativ gut lesbar“. Die Mister K Regular bietet unzählige Ligaturen und Varianten, denn sie sollte „natürlich verbundenes Schreiben widerspiegeln“, nicht „monoton oder technisch“ wirken;

–  Mister K Crossout Pro Regular verbildlicht die ewigen Selbstzweifel des Menschen und Schriftstellers Franz Kafka und spiegelt das originäre Bild seiner Manuskripte wider – alle Buchstaben sind durchgestrichen, entsprechend auch die Ligaturen, zusätzlich gibt es als Sonderzeichen diverse Strichelchen, Linien und Krakel;

–  die Mister K Informal Pro Regular hat etwas Weiches, fast Entspanntes (im Rahmen der Kafka’schen Möglichkeiten), denn sie basiert auf den ruhigeren Abschriften, die Kafka von seinen Erstmanuskripten anfertigte;

–  während die Mister K Onstage Pro Regular mit mutigen Schwüngen, verschnörkelten Endungen und insgesamt fast exzentrischen Varianten aufwartet und dadurch deutlich extrovertierter wirkt.

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Entstehungsprozesse

Für Sysmäläinen verraten Manuskripte viel über den Entstehungsprozess von Geschriebenem, von Literatur. Sie untersucht „die Grenzen der Schriftgestaltung“. Einige dieser Grenzlinien verlaufen zwischen Sprache/Literatur/Manuskript/Schrift. Die studierte Philologin hat sich intensiv mit literarischen Manuskripten befasst und festgestellt, dass dies „dich sehr nah zum Autor selbst bringt“. In Kafkas Notizbüchern findet sie sprachexperimentelle Ansätze; hier spielen Inhalt und Form im wahrsten Sinne des Wortes zusammen: „Es gibt diese Oktavheftchen von ihm, wo zuweilen beim Umblättern der Seiten neue ,Wendungen’ entstehen, also auf der nächsten Seite wendet sich die Bedeutung eines Satzes in eine ganz andere Richtung – das funktioniert vor allem gut in der deutschen Sprache“.

Julia stammt aus einer bilingualen finnisch-russischen Familie und wuchs damit auf, sowohl in lateinischer wie in kyrillischer Schrift zu lesen und zu schreiben. Offenbar hat das ihre Sinne geschärft für das Verhältnis von Sprache und Schrift, von Verschriftlichung. Die Manuskripte von Franz Kafka gehören für sie zu den eindrucksvollsten, die sie gesehen hat – zudem ist er einer ihrer Lieblingsautoren.

Mister K, als Person gedacht

„Wenn man sich mit Kafka beschäftigt, entdeckt man viel interessantes, das man dann zum Leben erwecken will.“ Deshalb ist Mister K mittlerweile nicht nur ein Font, sondern eine Persönlichkeit, oder vielmehr „die Visualisierung einer Persönlichkeit“.

Das Gesamtkunstwerk umfasst längst auch Objekte: Sysmäläinen hat einzelne Glyphen als Schmuckanhänger umgesetzt und sich in Finnland und Lettland an der Wanderausstellung „Travelling Letters“ beteiligt (die 2008 in St. Petersburg startete und durch baltische Länder tourt). Untersucht wird das Verhältnis von Text, Schrift, Design und visueller Kunst; Mitmacher aus der Typoszene waren unter anderen bereits Philippe Apeloig, Ken Barber, Sami Kortemäki und Stefan Sagmeister.

Julias Beitrag war ein rostiges K-Fahrrad als „quasi-archäologisches Stück“. Ein Fahrrad? „Das passt so gut zu ,reisenden Buchstaben‘, das ist mobil, das fährt“, stellt Julia lakonisch fest. Und: „Das ist so altmodisch. Mister K, wenn ich ihn als Person denke, ist auch ein bisschen so. Er steht auf solche Sachen.“ Zu ihrer Installation „Mister K: Means of Transport“ gehörten neben dem Typo-Fahrrad reliefartige Wandtexte und Drucke. Es geht Sysmäläinen um „die Wiederbelebung des literarischen ,K‘ Franz Kafkas als digitalisierte Schreibschrift, die begonnen hat, ihre eigenen Geschichten zu erzählen.“

Mitmacher on- und offline

Begleitend zu ihrer aktuellen Ausstellung bei Mota Italic gibt Sysmäläinen nun das Textbüchlein „Too Long to Tweet“ heraus, das die FF Mister K in der Anwendung zeigt: anhand kurzer und mitunter etwas längerer Texte mit Bezug zu Berlin (so die einzige Vorgabe). Die versponnen-verspielten und höchst individuellen Textbeiträge stammen von Freunden und Kollegen aus der Berliner Kunst- und Designszene, sowie, natürlich, von Franz Kafka. Mitgewirkt haben Ralph du Carrois, Barbara Dechant, [Luc(as) de Groot](Luc(as) de Groot "Luc(as) de Groot"), Florian Hardwig, Rob Keller, Sonja Knecht, Indra Kupferschmid, Marin-Kaca Limat, R. Jay Magill Jr, Jan Middendorp, Nadine Roßa, Jürgen Siebert, Erik Spiekermann und Tobias Trost. Die Twitter-Identitäten der Beteiligten sind als eine Art Impressum am Ende von „To Long to Tweet“ vermerkt.

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Anleitung zum Verspieltsein

Ähnlich wie zu diesem leichten, experimentellen Umgang mit Text ermutigt Julia Sysmäläinen ausdrücklich, den Font Mister K spielerisch einzusetzen. Dazu lädt auch die immense Vielzahl an Piktogrammen ein: bis jetzt rund 600 (ja, sechshundert) Stück. Diese sind gegliedert in Themenfelder von A bis Z, von „Animal & Plants“ also über Städte, Länder und Flaggen, „Food & Dishes“, Haushalt, Sport und Freizeit bis hin zu „Office, Technics, Work“, Transport und natürlich: das Wetter. In einer umfassenden, reich illustrierten Anleitung zu Mister K, mehr Bilderbuch als „Info Guide“, gibt Sysmäläinen einen Überblick. Liebevoll nimmt sie ihre Leser an die Hand: „If you want to play a new game, you need someone to explain it to you, otherwise you have only half as much fun... Many things you find out by yourself... But for some really special effects you need a bit of extra info.“

Die offizielle Website für Mister K hat Sven Ellingen von Edenspiekermann entwickelt. Hier kommen Design, Farbe, Licht und Humor in das Leben von Mister K. Info Guide und Postkarten, der K-Kalender und das Booklet „Too Long to Tweet“ sind Begleitmedien, die nicht vordringlich den Zeichensatz und die Vielseitigkeit der Schrift präsentieren, sondern sie in Text-Bild-Geschichten einbetten, „um die K-Persönlichkeit zu vermitteln“. Als bizarre, verrostete Schmuckgegenstände aus Stahl („K-Rusties“) verselbständigen sich Mister-K-Schriftzeichen und K-Dingbats in 3D (erhältlich bei Fontshop und visitBerlin).

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Mister K lebt!

So begann Mister K bei Franz Kafka, seinen komplexen Romanen und Manuskripten – und ist nun zu einer großen Familie K geworden: Ein weit über die Gestaltung der Schrift hinausreichendes Gesamtkunstwerk, das auf bezaubernd leichte, behutsame Weise einen Gegenpol schafft zum weitverbreiteten Klischee des einsamen und selbstquälerischen Franz Kafka.

Übrigens lässt Julia Sysmäläinen ihre Schrift auch twittern. Unter der Identität @ffmisterk – „Multilingual Talking Typeface. CAUTION: Not always polite“ – gibt Mister K ironische Kommentare nicht nur zum typographischen Zeitgeschehen ab...

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Links DE

–  Slanted über die Ausstellung bei Mota Italic und die Publikation „To Long to Tweet“

–  PAGE über „To Long To Tweet“

–  Installation zu Mister K bei der Ausstellung „Travelling Letters"

–  Mister K in Wikipedia
–  FF Mister K beim Fontshop
–  Mister K als PAGE Schrift des Monats März 2010
–  Mister K bei Fontstars, „Die besten Schriften des Jahres 2008“

–  Franz Kafka bei Wikipedia
–  Franz Kafka bei Suhrkamp

Jürgen Siebert, Fontblog, über Mister K:

–  Die unglaubliche Reise de Mister K
–  Mister K ist nicht mehr solo
–  Ist Mister K die neue Zapfino?

Links EN

–  Exhibition “Mister K & Franz Kafka” at Mota Italic in Berlin, Prenzlauer Berg
–  Accompanying booklet “To Long to Tweet

–  Participation of Mister K in the exhibition “Travelling Letters

–  Fontfeed: “FF Mister K: Franz Kafka’s Pen
–  Fontfeed: Typographic Awards 2009

–  Mister K as one of “FontShop's Best Typefaces of 2011
–  TDC “Certificate of Excellence in Typeface Design” for FF Mister K Informal

–  Franz Kafka in Wikipedia
–  FF Mister K at Fontshop
–  Julia Sysmäläinen’s profile at FontShop
–  FF Mister K Info Guide by Julia Sysmäläinen

–  ISTD judge Freda Sack about Mister K:
“A spirited rendition of a lively calligraphic typeface, exhibiting a sense of fun with the accompanying ornaments, and the ‘cross-out’ version. One of the few typefaces entered that displayed its content to best effect, even to the extent of showing cartoon-like portraits entirely created from the typeface characters. It also shows appropriate use of OpenType format by fully exploiting the extended character set.”

–  Julia Sysmäläinen’s website

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Fotos: Julia Sysmäläinen, Edenspiekerman, Fontshop