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ESPI on site: TYPO 2012 „sustain“

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Edenspiekermann ist dieses Jahr in Mannschaftsstärke auf der TYPO Berlin vertreten. Das HKW, Haus der Kulturen der Welt und Ort des Geschehens, brodelt schon Stunden vorher. In der Key Note geht es unter anderem um Bohrmaschinendichte und Angsterkrankungen in deutschen Haushalten, die sieben Todsünden und den berühmten Sack Reis, der in China umfällt. Doch langsam.

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In der TYPO Hall begrüßt Jürgen Siebert das Publikum und stellt die Moderatoren vor: Indra Kupferschmid, Alessio Leonardi, Adrian Shaughnessy und Simone Wolf. Adrian Shaughnessy eröffnet die TYPO Berlin mit einer kurzen Bekräftigung des Themas Sustainability/Nachhaltigkeit als Motivation und Leitlinie für Design(er) heute: „let’s sustain“! Bernd Kolb, deutscher Unternehmer des Jahres und ehemaliger Vorstand für Innovation bei der Deutschen Telekom, übernimmt als Key Note Speaker – und erweitert den Begriff Nachhaltigkeit in seinem Vortrag „Chancen, die sich aus konsequentem neuen Denken und Handeln ergeben“. Einleitend bemerkt er ein sehr junges Publikum, die „Generation Change“, wie er sie nennt, die er als hoch belastet ansieht. Nicht nur mit einem Berg von Schulden.

Als klassisches deutsches Wirtschaftswunderkind, geboren 1962, wächst Bernd Kolb selbst auf mit dem Gefühl von immer mehr, schneller, weiter: Zukunft als unbegrenzte Aussicht. Er nutzt diese Chancen und wird als Unternehmer mehr als erfolgreich. 2006 hört er einen Vortrag von Al Gore, Die unbequeme Wahrheit (The Unconvenient Truth) – ein Schlüsselerlebnis. Zu der Zeit war Kolb alles andere als ein Öko-Aktivist, hatte nichts am Hut mit Klimawandel. Doch Al Gores Vortrag hat ihn  berührt und vor allem „neugierig gemacht“: Woher kommt der Klimawandel? Was ist plötzlich anders, was muss anders werden?

Kolb formuliert dazu die konkrete Frage: „Was ist es denn, was wir genau so nicht weitermachen können?“. Die „Biokapazitätsgrenze“ sei seit Mitte der 80er Jahre überschritten. Darauf verweise nicht allein der Club of Rome. 

Die sieben Sünden wurden schon früh formuliert – Völlerei, Gier, Habsucht, Zorn, Neid ... wir wissen. „Und vielleicht mit am schlimmsten: Ignoranz“, ergänzt Kolb. „Heute ist es nicht mehr egal, ob in China ein Sack Reis umfällt“. Wir wissen heute ganz genau, was wann wo passiert. Wir wissen alles, doch es nützt nichts. Wir müssen vom Wissen zum Bewusstsein kommen, und vom Bewusstsein zum Bewusst-Sein. Eine schöne Idee, ein schönes Wortspiel – doch wie kommen wir von den sieben Todsünden zu den sieben Tugenden? Allein der Begriff Tugend sei „ein bisschen angestaubt“, aber wert, eine Blick draufzuwerfen. Wie können wir ihn in die heutige Zeit übersetzen?

Es sei „an der Zeit, sich mal wieder mit dem Guten zu beschäftigen“ – aus Sorge, so Kolb. Im weiteren Verlauf seines Vortrags verweist er auf den Begriff des „Verbrauchers“, des Verbrauchens. Und dass es schon helfen würde, eher zu einem Begriff des „Gebrauchens“ zu kommen. Sein Beispiel: die Bohrmaschine. Heute in so gut wie jedem Haushalt zu finden, obwohl sie nur einmal alle paar Jahre gebraucht wird. Es gibt also eine enorme Bohrmaschinendichte, obwohl diese kaum genutzt werden. Von da aus könnte – sollte! – man weiterdenken: Nicht Bohrmaschinen verkaufen, sondern die Expertise, Löcher zu bohren und Sachen anzubringen. 

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Key Note Speaker Bernd Kolb (Foto: Markus Kirsch)

Anmerkung der Autorin: Ist es das, was mit Denkansätzen – Buzzwords? – wie Enterprise 2.0 gemeint ist? Es ist auf jeden Fall das, was wir in unserer täglichen Arbeit bei Edenspiekermann mehr und mehr erleben, was wir bei unseren Auftraggebern sehen und/oder wozu wir Ihnen raten (zu einem Umdenken, nicht zu Buzzwords).

Kolb fährt fort mit spannenden Zahlen: 38 Prozent aller Europäer waren 2010 beim Arzt aufgrund einer Angsterkrankung (wie Burnout, Angst, Depression). Deutsche Medien spiegeln diese Tatsache mit ihrer Titel- und Themenwahl wider. Spannende Frage: Kann man zu so einer Gesellschaft noch „Wohlstandsgesellschaft“ sagen? Bernd Kolb macht weiter und nutzt zur Dramatisierung des Themas unter anderem Vergleiche zur Lebensdauer von Glühbirnen. Erneut verweist er auf die Verantwortung des Ver- bzw. Gebrauchers: „zum Mist Kaufen gehört nicht nur der, der ihn herstellt, sondern auch der, der ihn kauft“. 

Das gilt auch und erst recht für Design und Kommunikation.

Wir haben viel zu tun. 

Wir freuen uns auf viele weitere spannende Vorträge auf der TYPO Berlin!

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(Fotos: Markus Kirsch)