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Hallo, ich heiße Marie und bin Projektmanagerin

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Mit Erschrecken musste ich am Wochenende feststellen, dass auch ich in das Alter gekommen bin, in dem ich auf privaten Partys keinem Netzwerker mehr entgehe. Sie sind überall. Von links tönt es: Wie, du machst Service Design? Zack, sitzt der Typ auf ihrem Schoß. Auch der Interaction Designer sowie die Brand Managerin finden großen Anklang. Nun mein Auftritt: Hallo, ich heiße Marie und bin Projektmanagerin. Zögernde Blicke. Bei Edenspiekermann. Alle Designer bekommen jetzt große, strahlende Augen: Und, ist der Erik denn auch manchmal da? Eh, ja?! Toll. Ich habe mal einen Vortrag von ihm gehört. Sehr sympathisch. Ja, allerdings. Und, was macht man so als Projektmanager? Tadaa, Jackpot. Mein großer Auftritt – in der Hoffnung, dass am Ende auch jemand auf meinem Schoß sitzt. Also, auf die Plätze, fertig, jetzt:

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Was macht eigentlich eine Projektmanagerin?

Als Projektmanagerin bin ich Schnittstelle zwischen Auftraggebern und Kollegen. Immer noch fragende Blicke. Ich führe das typische Beispiel an: Stell dir vor, jemand benötigt einen Flyer. Mit Flyern kann erst mal jeder etwas anfangen. Die viel spannendere Veränderungskommunikation oder so etwas wie Service Design würde jetzt zu viel Verwirrung stiften. Also: Der Auftraggeber ruft uns an und fragt, was dieser Flyer kosten und wann er ihn bekommen würde. An dieser Stelle setzt sich die Projektmanagementmaschinerie in Bewegung: Angebot erstellen und freigeben lassen, Ressourcen planen, Abstimmungen mit Designern, Textern, Pre Press (früher Reinzeichnung genannt), Produktion und am Ende die Auslieferung der Druckdatei. Das Auditorium lächelt. Doch dann: Und was genau machst du in dem Prozess? Ernüchterung auf meiner Seite sowie direktes Von-der-Hand-Weisen potenziell aufkommender Vorwürfe: Nein, wir sitzen nicht den ganzen Tag vor unserem Rechner, spielen Minesweaper und spitzen Bleistifte. Außerdem arbeiten wir mit Mac, damn it.

Die Frau an der Front

Mit sanfter und ruhiger Stimme nehme ich die Erklärungsversuche wieder auf: Meine Aufgabe ist es, den gesamten Projektprozess zu steuern, ob Online- oder Offline-Projekte, agil oder Wasserfall. Ich kalkuliere das Angebot und schwenke mit der Budgetkeule. Ich bin der Spielverderber, wenn es darum geht, dass nicht drei Kreativ-Direktoren einen Flyer entwickeln und anschließend dem Prototyping und User Tests verfallen. (Für einen Flyer eher unwahrscheinlich, aber bei den Kreativen ist Obacht geboten.) Ich bin zu jeder Tages- und Nachtzeit Ansprechpartnerin für meine Auftraggeber. Wenn der Wecker klingelt, checke ich meine Mails noch im Bett. Unter der Dusche dann die ersten Gedanken an das Kick-off um 9.00 und die Ressourcenplanung um 11.00 Uhr. Im Grunde lebe ich polygam mit Rechner und Telefon und hofiere beides freudestrahlend durchs Büro. Jede Mail ein Treffer, jedes Klingeln ein Erfolg. Für meinen Auftraggeber bin ich die Frau an der Front. Für mein Verständnis gehe ich hinter meinem Projektteam. Einsichtige Zustimmung durch Kopfnicken beim Auditorium. Endlich. Und dann doch die Frage: Wie, du gehst hinter deinem Projektteam? Ja, manchmal sitze ich sogar, oder stehe. Ein bisschen wie die Reise nach Jerusalem. Und wieder blicke ich in fragende Gesichter. Also auf zur nächsten Runde. Ding, ding, ding.

Vom Zahlendreher zum Menschenversteher

Als Projektmanagerin muss ich nicht nur Auftraggebern genau zuhören. Mindestens genauso wichtig: Ich muss  verstehen, wie meine Kollegen ticken und warum. Ich sollte erkennen, welche Stärken und Schwächen sie haben, und wo ich sie basierend auf dieser Erkenntnis am besten einsetzen kann – um uns alle glücklich zu stimmen. Ich muss die hohe Kunst der Motivation beherrschen. Schokocroissants und ein Feierabendbier können dabei helfen. Ebenso  ein lobendes Wort und manchmal, aber das geht aber nur bei wenigen Kolleginnenn und Kollegen, eine Umarmung. Projektmanager müssen durch Empathie und Feingefühl bestechen. Sie halten das Team zusammen und stehen auch dafür ein, wenn etwas nicht so gut läuft. Full stop.

Endlich nicken alle. Puh. Es werden fleißig Salzstangen geknabbert und Käsebällchen gegessen. Ich warte ab. Trinke einen Schluck. Freue mich über meinen Erfolg und darüber, es mit großer Wahrscheinlichkeit geschafft zu haben, alle anwesenden Partygäste von der Besonderheit des Projektmanagements zu überzeugen. Bis die Frau mit den Leggins, dem Dutt auf dem Kopf und der großen schwarzen Brille den Raum betritt und schreit: Eeeeeeeeeeeeeeeeeey, ich hab’ den Platz an der HPI School for Design Thinking. Alle wenden den Kopf. Jubelschreie. Keiner nickt mehr mir zu. Ich trinke noch einen Schluck. Auf mich! Prost.

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Foto: Edenspiekermann. Projektmanagerin Merle inmitten eines von ihr glücklich gemachten Teams – von links nach rechts: Sebastian Dörken, Markus Kirsch, Robert Schmidt, Sonja Knecht, MARIE MERLE, Manfred Blattner, Louise Fuglsang, Claudia Gali und Christian Hanke, alle zu finden hier.