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Kreuzzug gegen senkrechte Linien

DB KennenSiedieseSchrift

Endlich: Vor allem für die vielen neuen Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt gibt Erik Einblicke in seine typografische Arbeit – und seinen ganz persönlichen Einsatz für Auftraggeber und deren Marken. Er steigt ein mit seinem liebsten, größten und wohl auch bekanntesten Typografie-Projekt: dem für die Deutsche Bahn.

DB KennenSiedieseSchrift Farbe und Schrift sind oft die wichtigsten Kennzeichen einer Marke.

DB%20Schriftzug%20ohne%20Logosymbol Einer der bekanntesten Schriftzüge Deutschlands, hier nicht auf freier Strecke, sondern im Raster.

Bei einem unserer „Brainfoods“ (Frühstück mit Kurzvortrag) im Juni gibt er in bekannt rasantem Tempo einen Überblick über Agenturprojekte typografischer Natur. Zum Teil waren sie von vornherein als solche abgesteckt, zum Teil haben sie sich im Laufe einer anders intendierten Zusammenarbeit (Logo-Überarbeitung, Printmaßnahmen) so ergeben und/oder erweitert. Einige liefen oder laufen mehrjährig und entwickeln sich hin zu umfassenden Aufträgen, zu langfristigen Team- und Auftraggeberkonstellationen für die (Weiter-)Entwicklung einer Schrift und/oder eines Unternehmensauftrittes. DB Anzeige Doppelseite

DB Printsachen Alles aus einem Guss.

DB Fahrplan mit Linien Alles schön, bis auf die Linien ...

Weg mit den Linien Im Zusammenhang mit der Deutschen Bahn zeigt Erik Grundzüge und Details, Plakate und Fahrpläne – und vergisst dabei nicht, gegen Überflüssiges zu wettern: „Ich führe seit 40 Jahren einen Kreuzzug gegen senkrechte Linien. Die braucht man nicht. Die Buchstaben fallen nicht raus.“

AU Velsertunnel Ein pixeliger Tunnel in Holland.

AU Trans Europe Europäische Sonderzeichen für die Fernstraßenbezeichnung.

AU Tunnel dicht Trans Euopean Road Network (TERN) Thematisch naheliegend wurde Erik beauftragt mit einem Schriftsystem für die europäischen Fernstraßen – „das sind die, die mit E bezeichnet werden.“ Da gab es helle Schrift auf dunklem Grund, „und mir oblag es, diese Pixelschrift zu machen.“

AU SlowTraffic 1 Helle Schrift auf dunklem Grund ist sowieso nicht angenehm fürs Auge ...

AU SlowTraffic 2 ....hier aber angenehmer lesbar.

Das Ergebnis konnte sich dann doch sehen lassen. Aus den Pixelschriften ist dann ein Auftrag geworden für eine richtige Druckschrift. Die TERN (abgeleitet aus Trans Euopean Road Network) ist offiziell die Schrift der europäischen Fernstraßen. Die Abbildung zeigt die österreichische Schrift vorher und die TERN nachher, weil die Schrift dort nach und nach eingeführt wird (hier leider in der schmalen Version, die nicht die optimal lesbare ist).

AU Wittgenstein Ein Ortsschild in Österreich mit dem Namen Wittgenstein. Passend dazu verfällt Erik ins Philosophieren (warum die Österreicher „Autos testen mit Leuten drin“).

ErikBrainfood05%20Wittgenstein%20Titel? Bleibt die Frage, ob der Ort nach dem Philosophen benannt ist – oder umgekehrt. 

Bei Edenspiekermann haben wir immer wieder Projekte, bei denen Typografie im Mittelpunkt steht. Auftraggeber wie das ZDF, Bosch, Netrange MMH oder zuletzt Cisco Systems nutzen Schrift als wesentlichen Baustein ihrer Marke und ihres Erscheinungsbildes. 

Schrift erste Zeichnung

Am Anfang steht oft eine Zeichnung per Hand: Erik Spiekermann zeichnet eine Schrift aus der Erinnerung nach und verbessert sie dann, adaptiert sie zum Beispiel als Hausschrift für einen Auftraggeber und für bestimmte Anwendungen.

ZDF 3 Studio

Heute unverkennbar: die Schrift ZDF News (und die gesamte Studiogestaltung) für das Zweite Deutsche Fernsehen. Erik hat die gesamte Projektdurchführung persönlich betreut – bis das neue Corporate Design live war. Besonders wichtig sind auch die vielen Symbole für Infografiken und Wetterkarten, an denen bei Edenspiekermann Susanna Dulkinys und Julia Sysmäläinen gearbeitet haben (Umsetzung Ralph du Carrois).

Typo-Projekte bei Edenspiekermann: Beispiel Cisco Für Cisco haben wir deren bereits vorhandene, Helvetica-ähnliche Hausschrift modifiziert, um sie auf kleinen Bildschirmen gut lesbar zu machen. Die Zusammenarbeit ging über Monate und schafft die Basis für einen stringenten, weltweit einheitlichen Einsatz der Hausschrift und anderer Corporate-Design-Elemente. Genutzt und in der Anwendung gezeigt wurde die neue Cisco-Hausschrift natürlich auch im „Typography Styleguide“ des Unternehmens (den allerdings nicht Edenspiekermann gemacht hat).

Ciso StyleG au%C3%9Fen Handbuch für die Anwendung der Hausschrift (als Teil der Styleguides für die Marke).

Cisco StyleG innen 2 Die neue Schrift im Einsatz und mit Erklärung, im Typo-Styleguide von Cisco.

Cisco StyleG innen

Display 1 Kleine Displays, eine große Herausforderung für Typografen.

Display 2 Alles, was sich hier abspielt, soll besonders gut und schnell lesbar sein.

Neue Schrift für Mozilla – und Probleme mit dem Naming Aktuell arbeiten wir an einer neuen Schrift für Mozilla. Bislang haben sie als Hausschrift die Meta von Erik Spiekermann, daraus abgeleitet entsteht nun eine Schrift, deren Namen noch in der Diskussion steht: die Feura klingt englisch ausgesprochen leider wie „Führer“ – „so würde ich ja niemals eine Schrift nennen, zumal wenn sie aus Berlin kommt“, kommentiert Erik.

Feura sans light latin Schrift ist schön, macht aber richtig viel Arbeit,

Feura sans ligth latin%20punct ... zumal auch Satz- und viele Sonderzeichen dazugehören.

Feura sans BETA weights

Feura sans ligth greek

Damit Schriften international einsetzbar sind, müssen sie für Schriftsysteme wie Griechisch und Kyrillisch adaptiert bzw. mitgestaltet werden.

Feura sans ligth numerals%20symbols Auch Ziffern und Symbole (Icons, Piktogramme) sind Bestandteil einer Schrift. Oft werden sie individuell für bestimmte Auftraggeber, Marken und Anwendungen gestaltet.

Inzwischen heißt die Schrift übrigens Fira und steht seit 22. Juli 2013 online auf GitHub, wo sie jeder kostenlos downloaden und benutzen kann. Die Schrift ist Open Source – mehr zu GitHub und Open Source im Beitrag über Web Developer Lukas Hodel und Social Coding. Beispielhaft zeigt Erik Spiekermann den Schnitt Mono Regular, die es auch für das griechische Schriftsystem gibt („ich weiß nicht wofür man Griechisch noch heutzutage braucht, vielleicht für Schuldscheine oder so“). Er fragt Schriftgestalter Luc(as) de Groot, der als Gast im Publikum ist, wie viele Schnitte dessen Thesis Mono eigentlich habe – „ich weiß es nicht“, entgegnet der. Alles lacht. Lohnt sich das eigentlich alles? Auf die Frage von Susanna Dulkinys (Leiterin unseres Büros in San Francisco), welches der gezeigten Typo-Projekte denn das „most rewarding“ gewesen sei, entgegnet Erik wie aus der Pistole geschossen: das für die Deutsche Bahn. Weil es im eigenen Land gewesen sei, verwurzelt „in der eigenen Kultur“ – und das mit der größten Sichtbarkeit, dem größten Einfluss. Mal ganz abgesehen davon, dass die Typo-Projekte auch Umsatz bringen – und unseren Auftraggebern für ihre Marken jede Menge Sichtbarkeit, bessere Kommunikation und internationale, plattformübergreifende Wiederkennung. Mehr dazu bald an dieser Stelle. Zum Abschluss bedankt Erik sich typografisch: in lauter verschiedenen Fonts, alle unter seiner Federführung entstanden. Kennen Sie diese Schriften? DANKE Apropos: Wichtig ist Erik Spiekermann (und er vergisst nicht, es mehrfach zu erwähnen), dass alle seine Schriften in der Zusammenarbeit mit anderen Entwerfern entstanden sind. Darunter besagter Luc(as) de Groot (LucasFonts) oder Ole Schäfer, der im Yearbook of Type schreibt, Christian Schwartz, Erik van Blokland (Letterror) oder Ralph du Carrois. Bei uns im Haus arbeitet vor allem Schriftgestalterin/Designerin Julia Sysmäläinen an Typografie- und Piktogramm-Projekten. Bekannt wurde sie mit Mister K (ziert unter anderem als Logo-Schriftzug Das Stue); ganz neu auf dem Markt ist ihre Schrift Mir.